In der Nacht ist es dunkel. So dunkel, dass man meinen könnte, man wäre in einer riesigen schwarzen Seifenblase eingesperrt. Doch was ist, wenn dort ein Funken Licht wäre, auch wenn er nur so winzig klein wie ein Fingerhut ist. Doch in der Dunkelheit findet Licht selten einen Platz.
Es war einmal ein Funke, der war Teil von etwas Großem, etwas sehr Großem. Doch es war Zeit zu gehen, die große blaue Kugel unter sich zu erforschen. Hätte der kleine Funke aus Licht gewusst, was ihn erwartetet, hätte er sich festgehalten und versucht, die große leuchtende Kugel bei sich zu halten, doch er flog schon durch die Lüfte und betrachte das Verlorene nur noch kurz.
Angst, laut hallendes Geschrei durchdröhnten den Funken. Ein Bruder weinte um seine Schwester, da eine Strähne ihrer Haare aus dem Kopftuch sichtbar wurde. Nun war sie sinnlos gestorben. Eine Frau rannte durch die Straßen auf der Suche nach ihrer alten Mutter. Ein junger Mann war verschwunden, nur weil er ein Lied von Freiheit gesungen hatte. Freiheit, etwas was aus Sicht vieler Menschen nicht mehr kommen konnte. Der Funke floh, aus Angst von all dem Entsetzen, welches ihn zu verschlingen drohte, weit weg, bis er die Angst um ihn rum nicht mehr spürte.
Endloses Grün. Endlich fühlte der Funken sich sicher. Doch was war das? Ein riesiges Monster zerstörte den gerade eben noch friedlich daliegenden Wald. Vögel flohen vor der Lautstärke und verließen ihr damals so schönes Zuhause. Als wenn dies nicht alles schon schlimm genug wäre, loderte zwischen den Ästen und dem Gestrüpp plötzlich ein großes Feuer auf und verwandelte das schöne Grün in lichtverschlingendes verwüstetes Aschgrau. Tiere flohen und schrien förmlich um Hilfe. Angst umhüllte alles und der Funke wollte nicht mehr strahlen. Das Leiden von Menschen und Tieren kann ohne Licht verstummen.
Der kleine Funke setzte sich ein letztes Mal in Bewegung und landete inmitten eines Dornenstrauches. So viel Elend, so viel Trauer hatte der kleine Funke gesehen. War er etwa das einzige Licht auf der Welt? Er sehnte sich nach dem Großen. Er vermisste die Wärme, die er immer gespürt hatte, als er noch er noch Teil der riesigen leuchtenden Kugel war und die blaue Kugel nur von Weitem gesehen hatte. Nun saß er auf einem Seerosen Blatt, auf einem See mit seichten Wellen. Das Licht seiner verlorenen großen Kugel verschwand im schwarzen Gewässer und eine Trauerweide wog ihre Äste im Wind. Er wollte einfach nur noch erlöschen, wollte all das Elend, dass er gesehen hatte, einfach vergessen. Aus dem Nichts zog ihn ein gewaltiger Windstoß in die Lüfte und trug ihn über den See hinweg.
Er beobachtete wie Bäume und Häuser an ihm vorbeizogen. Am Tag hatte hier die Angst geherrscht, doch in der Nacht war alles still. Langsam ließ der Wind nach und der kleine Funke landete auf einem dunklen Platz. Er spürte den harten Stein unter sich und ihm wurde mulmig zu mute. Ob dort, wo er saß auch schon Bäume gefällt wurden? Zu seiner Freude stand vor ihm eine einzelne riesige Tanne. Ihr kräftiges Grün verstrahlte ein Duft der Wärme und Geborgenheit. Ja, das war ein guter Ort, um zu erlöschen. Er legte sich auf einen kleinen Zweig und wollte gerade erlöschen, als plötzlich um ihn herum Lichter erstrahlten. Jetzt erkannte er auch die bunten Kugeln, welche die Zweige schmückten. Es war wahrhaft schön. Er war wohl doch nicht das einzige Licht der Welt. Mit den anderen Lichtern vereint, erstrahlte der Baum in allen möglichen Farben und ließ den Funken all die Angst, das Elend und die Trauer vergessen.